Zusammenfassung
In Deutschland wird die Anwendung eines Medikaments durch die Medikamentenzulassung
geregelt. Außerhalb der zugelassenen Indikationen erfolgt die Anwendung im sogenannten
Off-Label Use (OLU). Wichtig in der Praxis ist dabei, dass die Erstattungspflicht
der Medikamentenkosten sowohl der gesetzlichen als auch der privaten Krankenkassen
an die Indikation der Zulassung gebunden ist. Anhand der Botulinumtoxin-Therapie soll
die OLU-Problematik in der Neurologie dargestellt werden.
Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, OLU-Behandlungen anzubieten. Der Krankenkasse
wird im Gegenzug unter bestimmten Voraussetzungen eine Erstattungspflicht der Medikamentenkosten
auferlegt. Wird im Rahmen eines Regressverfahrens das Fehlen der Voraussetzungen für
eine OLU-Kostenerstattung festgestellt, wird der Arzt gegenüber der Krankenkasse schadensersatzpflichtig.
2002 hat das Bundessozialgericht der Krankenkasse unter bestimmten Voraussetzungen
eine OLU-Erstattungspflicht auferlegt. Zusätzlich hat das Bundesverfassungsgericht
gefordert, dabei die Anforderungen an den OLU-Wirkungsnachweis nicht zu hoch anzusetzen.
Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat das Bundessozialgericht in 2011 die
OLU-Erstattungspflicht weitestgehend zurückgenommen. Erst durch das Versorgungsstrukturgesetz
von 2012 wurde den Krankenkassen wieder eine OLU-Erstattungspflicht auferlegt. Darüber
hinaus sichert die Neuregelung des Sozialgesetzbuchs V von 2013 eine rasche Bearbeitung
der OLU-Anträge.
Trotz aller Durchführungsschwierigkeiten hat sich die Koppelung der Kostenübernahme
an die Medikamentenzulassung und den OLU bewährt. Allerdings erfordert dieses Verfahren
ein erhebliches Augenmaß aller Beteiligten. Die Pharmaindustrie sollte zur Beantragung
möglichst vieler Indikation angeregt werden, während die Zulassungsbehörden die Zulassungen
möglichst breit erteilen sollten.
Abstract
In Germany, the use of a drug is specified by its official approval and registration.
A use beyond the approved indications is called off label use (OLU). The reimbursement
of the drug‘s cost is closely linked to its registration status. We wish to describe
OLU and its problems in neurological botulinum toxin therapy.
Physicians are obliged to offer OLU. In 2002, the Bundessozialgericht (Federal Social
Court) imposed OLU-compensation on the funding agencies when special conditions are
fulfilled. Existence of these conditions can be challenged in a recourse trial. If
the existence is denied, the prescribing physician is liable for compensation of the
drug costs against the funding agencies. The Bundesverfassungsgericht (Federal Constitutional
Court) has specified that efficacy criteria for OLU use have to be interpreted generously.
Largely undetected by the general public, in 2011 the Bundessozialgericht revoked
OLU compensation almost entirely. Only the Versorgungsstrukturgesetz of 2012 reinstalled
OLU compensation as suggested by the Bundessozialgericht in 2002. Additionlly, the
2013 reform of the Sozialgesetzbuch V introduced tight timelines for decisions on
applications for OLU compensation.
Despite all difficulties OLU compensation based on the registration status and special
OLU criteria has proven reasonable. However, this procedure requires goodwill on both
sides.
The pharmaceutical industry should be encouraged to apply for additional indications
whilst the registration authorities should grant broad registrations.
Schlüsselwörter
Botulinumtoxin-Therapie - Off-Label Use
Key words
Botulinum Toxin Therapy - Off-Label Use